Berlin Plagiat – die Taktik der Doktoren

Berlin · Nach Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Silvana Koch-Mehrin (FDP) sind nun die FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis und Bijan Djir-Sarai mit ihren Doktorarbeiten ins Visier geraten. Der Europa-Politiker tritt die Flucht nach vorne an, doch auch über ihn scheint der Stab längst gebrochen.

Die Angst geht um unter Deutschlands Doktortitelträgern, seit selbst ein Titan wie Karl-Theodor zu Guttenberg mit der höchstwünschbaren Summa-cum-laude-Benotung nicht nur die zwei Buchstaben vor dem Namen verlor, sondern sich auch im Regierungsamt nicht mehr halten konnte. Auch Silvana Koch-Mehrin, die schlaue Schöne der FDP, überstand das anonyme Kesseltreiben nicht ohne Ämterverlust. Nun versucht der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis erneut, was schon Guttenberg nicht gelang: mit einem medialen Gegenangriff zu retten, was kaum mehr zu halten scheint: Reputation und Renommee, Titel und Amt.

In der von ihm gewohnten knackigen Verkürzung behauptete Chatzimarkakis bei "Anne Will" vor einem Millionenpublikum, es gebe bei ihm "keine Stelle ohne Quelle". Er habe nach "bestem Wissen und Gewissen gehandelt", will sich freilich bei einem Auslandsaufenthalt die etwas großzügigere angelsächsische Art des wissenschaftlichen Zitierens angeeignet haben. Das könnte zu Missverständnissen geführt haben.

Für den Laien erscheint in der Tat schwer verständlich, was bei Hunderten anonymer Plagiatsjäger zur permanenten Ausschüttung von Glückshormonen führt. Entdeckt der Computer einen Satz, den er so oder ähnlich auch in einer anderen Arbeit findet, gibt er Alarm – ein Plagiat. Streng genommen hätte der Doktorand ein Anführungszeichen an den Satzanfang, ein Abführungszeichen ans Satzende und einen klaren Hinweis auf die Fundstelle bringen müssen. Freilich finden sich auf etlichen derart inkriminierten Seiten sowohl bei der Arbeit von Chatzimarkakis als auch bei der Arbeit des ebenfalls ins Visier geratenen FDP-Abgeordneten Bijan Djir-Sarai aus dem Kreis Neuss im engeren Zusammenhang durchaus Hinweise auf den Autor, dessen Gedanken sie an dieser Stelle darstellen und diskutieren – aber eben nicht vollkommen korrekt zitiert.

Deshalb fühlt sich Chatzimarkakis auch nicht als Täter, der beim Schummeln erwischt wurde, sondern als Opfer anonymer Plagiatsjäger. Djir-Sarai geht anders als sein Parteifreund sehr defensiv mit dem Vorgang um und äußert sich grundsätzlich nicht zu den Vorwürfen. Er teilt lediglich mit, "Kenntnis" davon zu haben, dass die Universität Köln seine Arbeit prüfe und dass er davon ausgehe, in dieses Verfahren einbezogen zu werden.

Jeder kann sich im Internet als Plagiatsspürhund betätigen und Fundstellen beisteuern, aus denen sich prominente Promovenden bedient haben könnten. Je länger der Abschluss der Arbeit zurückliegt, umso schwieriger ist der Nachweis. Aber selbst bei der früheren Ehefrau des Berliner CDU-Politikers Friedbert Pflüger, Margarita Ma-thiopoulos, haben die Plagiatsjäger bereits beachtliche Stellen zur Strecke gebracht, obwohl die heutige Politikberaterin und Honorarprofessorin ihre Arbeit bereits 1986 abgeschlossen hatte.

Das einfache Copy-and-paste-Verfahren, also das simple Textkopieren- und Texteinsetzen am Computer, kann ihr somit nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ihr wird ein besonderer Vorsatz unterstellt: Sie habe die verwendeten, aber nicht als Zitate belegten Textstellen "verschleiert", indem sie jeweils die Inhalte umgeschrieben oder einzelne Wörter oder Redewendungen verändert habe. Anfang der 90er war die Arbeit von Mathiopoulos schon einmal auf dem Prüfstand – und überstand die Prozedur. Nun steht die Universität Bonn vor der Entscheidung, ein neues Verfahren in Gang zu setzen und sich möglicherweise über das damalige Urteil hinwegzusetzen.

Bis Mitte Juli wollen die Professoren in Bonn sowohl über Chatzimarkakis als auch über Mathiopoulos entschieden haben. Eine Arbeitsgruppe Chatzimarkakis beendete gestern ihre Prüfung mit einem internen Vorschlag. Der soll nach Medieninformationen aus einem gesenkten Daumen bestehen. Öffentlich machen will ihn die Universität aber erst am 13. Juli nach einer Sitzung des Fakultätsrates.

Um einen Imageverlust sorgt sich die Bonner Uni jedenfalls nicht. Schließlich sei sie nicht die einzige, die mit Plagiatsvorwürfen zu kämpfen habe. Unter betroffenen Politikern gibt es jedoch die Vermutung, dass Fakultäten lieber zu hart als zu weich mit ihren ehemaligen Prüflingen umgehen, um sich so schnell und so gründlich wie möglich von den Verdächtigungen reinwaschen zu können.

Das Wirken von Vroniplag zeigt offensichtlich Wirkung. Nachdem die Philosophische Fakultät der Bonner Uni bereits 2004 eine verschärfte Promotionsordnung erlassen hatte, sollen die Vorschriften jetzt ein weiteres Mal überarbeitet werden und noch klarer das korrekte Zitieren vorschreiben.

"So was ist nie gut", sagt einer der bekanntesten Bonner Wissenschaftler, Merkel-Biograf Prof. Dr. Gerd Langguth, über Plagiatsvorwürfe. Warum so viele Politiker ausgerechnet hier ihre zwei Zusatzbuchstaben bekamen, erklärt er mit der betonten Praxisorientierung der Uni. "Leichter" hätten diese hier ihre Titel nicht erhalten. So viel zumindest geht auch empirisch aus den jüngsten Debatten hervor – die eben nicht nur Bonn betrafen, sondern bei Guttenberg Bayreuth und bei Koch-Mehrin Heidelberg.

(RP)
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