Berlin Guttenberg schrieb beim Doktorvater ab

Berlin · Neue Vorwürfe belasten Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Ausgerechnet von seinem Doktorvater Peter Häberle soll der CSU-Politiker Passagen ohne Kennzeichnung übernommen haben. Heute wird Guttenberg mit Zapfenstreich verabschiedet. Kanzlerin Merkel ist dabei.

Während die CSU ihren verlorenen Helden auf der Kundgebung zum Politischen Aschermittwoch in Passau feiert, tauchen im Internet neue Plagiatsvorwürfe gegen den zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf.

Laut den Autoren der Internetseite "Guttenplag", einem Zusammenschluss von Internet-Nutzern zur Überprüfung der Doktorarbeit, hat der CSU-Politiker massiv von seinem Doktorvater Peter Häberle abgeschrieben. Demnach sind 234 Zeilen aus Peter Häberles Standardwerk "Europäische Verfassungslehre" kopiert; vor allem aus den Fußnoten schrieb Guttenberg offenbar ab. Die Quelle sei dabei nicht ausreichend benannt worden. Dadurch verweise die Promotionsschrift Guttenbergs auf viele wissenschaftliche Werke, die der Doktorvater für wichtig erachte, erklärten die Autoren der Internetseite, die seit Wochen die Arbeit Guttenbergs auf mögliche Plagiate untersucht.

Sogar ein Tippfehler aus dem Buch des Doktorvaters soll sich in Guttenbergs Arbeit eingeschlichen haben. In einer Fußnote steht in Häberles Original ein falscher Autorenname, "R. Steinberger", neben einem Werk zum Maastricht-Vertrag der Europäischen Union. Im Rest des Häberle-Buches werde der Autor Helmut Steinberger aber korrekt als "H. Steinberger" abgekürzt. In der Arbeit Guttenbergs findet sich die falsche Namensnennung "R. Steinberger" wieder. Das Werk Häberles gehört laut "Guttenplag" zu den zehn am meisten kopierten Quellen in der Dissertation.

Es fragt sich, wie diese Unstimmigkeiten dem international angesehenen und mehrfach ausgezeichneten Juristen Häberle nicht auffallen konnten. Der emeritierte Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bayreuth hatte Guttenbergs Doktorarbeit im Jahr 2006 mit der Bestnote "summa cum laude" bewertet. Als die ersten Plagiatsvorwürfe bekannt wurden, wies Häberle diese zunächst als "abstrus" zurück. Später, am 28. Februar, bezeichnete der 76-jährige gebürtige Göttinger die Mängel in Guttenbergs Dissertation in einer persönlichen Erklärung als "schwerwiegend und nicht akzeptabel". Sie widersprächen dem, was er "vorzuleben und auch gegenüber seinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war", teilte Häberle mit. Dass Guttenberg der Doktorgrad aberkannt wurde, sei "notwendig" gewesen. Die neuen Vorwürfe wollte Häberle, der in Bayreuth lebt, gestern auf Anfrage nicht kommentieren. Laut der Internetseite wurden in Guttenbergs Dissertation inzwischen auf 350 von insgesamt 475 Seiten Textstellen gefunden, die ohne Quellenangabe aus fremden Texten übernommen wurden.

Der beliebte CSU-Politiker hatte nach einer beispiellosen öffentlichen Debatte seinen Doktortitel zurückgegeben und sich vergangene Woche von allen politischen Ämtern getrennt. Zuvor hatte die Universität Bayreuth ihrem prominenten Absolventen den Doktortitel entzogen. Weiterhin prüft die Universität, die um ihren wissenschaftlichen Ruf kämpft, ob Guttenberg vorsätzlich getäuscht hat. Der CSU-Politiker bestreitet das und spricht von "gravierenden Fehlern". Die Prüfung werde noch einige Tage in Anspruch nehmen, sagte ein Sprecher der Universität Bayreuth gestern.

Mehr als 100 Strafanzeigen sind inzwischen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Hof gegen Guttenberg eingegangen – die meisten wegen des Verstoßes gegen das Urheberrecht. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

Nach Informationen unserer Zeitung aus dem Umfeld des früheren Ministers plant der ehemalige Verteidigungsminister schon in den nächsten Tagen eine längere Reise in die USA. Der 38-Jährige ist ausgewiesener Transatlantiker und verfügt als ehemaliger Außenpolitiker der CSU über exzellente Kontakte in die Vereinigten Staaten.

Heute wird Karl-Theodor zu Guttenberg offiziell mit dem Großen Zapfenstreich als Verteidigungsminister verabschiedet. Als Lied hat sich Guttenberg den Rock-Klassiker "Smoke on the water" von Deep Purple gewünscht. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird an der Zeremonie teilnehmen, die live im Fernsehen (ab 18.25 Uhr unter anderem im Ersten) übertragen wird.

(RP)
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